Feuer – mehr als das bekannte Risiko
Feuerwehrleute leben gefährlich. Nicht nur, weil sie dort hineingehen, wo andere rauslaufen. Abgesehen von der Gefahr, bei einem Einsatz Schaden zu nehmen oder ums Leben zu kommen, haben Feuerwehrleute ein circa 30 Prozent höheres Risiko, an Krebs zu erkranken. In Deutschland soll jetzt in einer Pilotstudie ermittelt werden, ob die Schadstoffe, die nach einem Einsatz Helme, Atemschutzmasken, Einsatzkleidung, Schuhe etc. kontaminieren, dafür verantwortlich gemacht werden können. Mit dem Ziel, einen klaren Nachweis zu erbringen, dass es hier einen kausalen Zusammenhang gibt, wird die Hamburger Studie die erste ihrer Art weltweit sein.
«Es ist höchste Zeit, dass hier Klarheit geschaffen wird», meint auch Marcus Bätge. Der 47-jährige Berufsfeuerwehrmann ist beim Berufsverband der Feuerwehr in Hamburg zuständig für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Dass die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) zusammen mit dem Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZFAM) die Pilotstudie designt, stimmt Marcus Bätge hoffnungsfroh: «Es soll für die Feuerwehrleute in Hamburg ein Bio-Monitoring geben, das nach Einsätzen Urinproben, Wischproben von der Haut und Blutproben vorsieht.» Flankiert werden diese Massnahmen durch Proben von Luft und Brandrauch am Einsatzort. Dann soll nachgeforscht werden, auf welchem Weg Schadstoffe in den Körper von Einsatzkräften gelangen.
Marcus Bätge weiss darüber schon eine ganze Menge: «Im Einsatz kann die Körpertemperatur auf 38 bis 39 Grad steigen. Dann öffnen sich die Poren eines Menschen, weil wir für Abkühlung sorgen müssen. Sie sind die perfekte Eintrittspforte für alle möglichen schädlichen Stoffe wie Russ, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder Benzol (Anm.: Asbestfasern werden nur über die Lunge aufgenommen). Die Gefahr, dass Schadstoffe über die Haut eindringen, ist dann rund 400 Mal grösser als sonst.» Selbst zwei bis drei Tage nach einem Einsatz mit solch einer Belastung werden beim Duschen noch so viele Russpartikel aus der Haut gespült, dass sie das Duschwasser schwarz färben.
Bei Feuerwehreinsatzkräften das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass «nur ein sauberer ein guter Feuerwehrmann ist», wie es Marcus Bätge formuliert, bedeutet ein dickes Brett, das es zu bohren gilt: «Der russverschmierte Held ist das Bild, das in der Öffentlichkeit für Bewunderung sorgt. Insbesondere der Helm kann gar nicht benutzt genug aussehen kann – weil er dann die Geschichte erzählt, dass man nicht nur dabei war, sondern eben mittendrin», weiss Marcus Bätge. Und: «Beim nächsten Unwettereinsatz gelangt die Russbrühe dann vom Helm über den Nacken in den Körper.» Dass der Helm das emotional am meisten aufgeladene Teil der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) ist, bestätigt man auch beim Feuerwehrausrüster Dräger. «Einen Helm kauft man sich selbst. Man will ein besonders gutes und beeindruckendes Exemplar», weiß Herbert Glass, der die Kommunikation bei Dräger verantwortet. Der Berufsverband hat angesichts dieser Gemengelage aus Nichtinformation und Emotion eine Aufklärungskampagne gestartet unter dem Motto: «Wahre Helden schützen sich – auch danach!» Angelehnt an die Aids-Kampagne gibt es auch ein Markenzeichen hierfür: ein roter Feuerwehrschlauch, so geformt, dass er an die AIDS-Schleife erinnert.
Mit der Thematisierung des «Feuerkrebs» geht auch die Frage nach der Schwarz-Weiss-Trennung einher – in den Feuerwehrhäusern, aber auch schon am Einsatzort bzw. in den Fahrzeugen und in der Atemschutzwerkstatt. Dieser stellt sich auch die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) immer wieder. Christian Schröder ist dort stellvertretender Leiter des Referats 10 «Umweltschutz», zu dem auch die Einsatzstellenhygiene gehört. Die Schwarz-Weiss-Trennung sieht er als ein Thema, das seit einigen Jahren immer mehr Fahrt aufnimmt: «Wir haben die Richtlinie des vfdb zur Einsatzhygiene 2014 zum dritten Mal aktualisiert. Dennoch geht es hierbei darum, eingefahrene Prozesse zu verändern, was ziemlich schwierig ist. Abgesehen davon ist zum Beispiel ein Wechsel der Einsatzkleidung noch am Brandort auch eine Preisfrage und eine logistische Herausforderung. Eine Pool-Lösung will niemand und der Helm ist immer noch sakrosankt und damit ein Thema, das nicht angetastet werden kann», so Christian Schröder.
Die Erkenntnis, dass kontaminierte PSA eine der grössten Gefahren für Feuerwehrleute darstellt, von der Theorie in die Praxis zu überführen, ist nicht alleine in Deutschland ein Thema. In den USA, in Kanada, in Norwegen und Schweden liegen bereits einige Studien vor, die eine Krebserkrankung als Berufskrankheit bei Feuerwehrleuten nahelegen. Im «Workers’ Compensation Act» der kanadischen Provinz Alberta gibt es sogar eine «Firefighters’ Primary Site Cancer Regulation», die aufführt, bei welchen Krebsarten von einer Berufserkrankung auszugehen ist, wenn ein Feuerwehrmann sich eine Mindestzahl an Jahren immer wieder einer Kontamination aussetzen musste. «In allen internationalen Studien wurde ein Zusammenhang zwischen Brandbekämpfung und einem erhöhten Krebsrisiko bei Feuerwehrleuten nachgewiesen», erläutert Marcus Bätge, der längst seinen Fokus in Sachen «Feuerkrebs» auch auf das Ausland gerichtet hat. Und: «Es ist unser Ziel, Krebs bei Feuerwehrleuten als Berufserkrankung zur Anerkennung zu bringen. Wir wünschen uns mehr Ausbildung und eine angepasste Ausrüstung sowie eine Verbesserung der ärztlichen Vorsorge in diese Richtung.» Unter anderem fordert Marcus Bätge nicht nur generelle Schadstoffmessungen an den Einsatzstellen und der PSA, sondern auch Reinigungszyklen in einem bestimmten zeitlichen Rahmen. «Das TopClean M dürfte eine Technologie darstellen, die bei den Schadstoffmengen auf Atemschutzmasken und Lungen-automaten für gute Ergebnisse sorgt», ist sich Manuel Paulat, Produktspezialist Reinigung und Desinfektion Atemschutztechnik bei MEIKO, sicher.